Die Fokus-Frage - Die Kunst, die richtige Herausforderung zu finden

• Die Fokus-Frage lautet: "Was ist hier die wirkliche Herausforderung für dich?"
• Sie hilft, am richtigen Problem zu arbeiten
• Oft versteckt sich hinter der ersten Antwort das eigentliche Thema
• Mit dieser Frage lernst du, besser zuzuhören und tiefer zu verstehen
"Papa, mein Zimmer ist zu klein!" - "Ich will nicht in die Schule!" - "Das Mathebuch ist doof!" Kennst du solche Aussagen? Der erste Impuls ist oft, schnell eine Lösung zu finden. Doch manchmal liegt die wahre Herausforderung woanders. Hier hilft die Fokus-Frage weiter.
🔍 Der Detektiv-Trick: Die wahre Geschichte finden
Stell dir vor, du bist ein Detektiv. Deine Aufgabe ist es, das wirkliche Problem zu finden. Denn oft ist die erste genannte Schwierigkeit nur die Spitze des Eisbergs:
Was Kinder sagen - und was dahinterstecken kann:
- "Mein Zimmer ist zu klein" bedeutet vielleicht: "Ich wünsche mir mehr Platz zum Spielen mit Freunden"
- "Ich will nicht in die Schule" könnte heißen: "Ich habe Angst vor der Mathearbeit"
- "Ich will nicht in den Kindergarten" könnte bedeuten "Ich vermisse dich tagsüber"
- "Das Mathebuch ist doof" steht möglicherweise für: "Ich verstehe die Aufgaben nicht"
🔍 Die Formel der Fokus-Frage - So baust du sie auf
Eine wirkungsvolle Fokus-Frage folgt einer einfachen, aber kraftvollen Struktur. Mit dieser Formel kannst du jederzeit eine hilfreiche Fokus-Frage konstruieren:
Die Grundformel:
"Was ist hier wirklich [das zentrale Element] für dich?"
Die Formel besteht aus drei Schlüsselkomponenten:
- Der Realitäts-Anker: "Was ist hier ..." - Bringt das Gespräch in den gegenwärtigen Moment und die konkrete Situation.
- Der Vertiefungs-Verstärker: "... wirklich ..." - Dieses Schlüsselwort signalisiert, dass du nach der tieferen Ebene suchst, nicht nach der ersten, oberflächlichen Antwort.
- Der personalisierte Kernpunkt: "... die Herausforderung/das Problem/wichtig ... für dich?" - Hier passt du die Frage an die Situation an und machst sie persönlich.
Variationen der Fokus-Frage:
- Für Probleme: "Was ist hier wirklich die Herausforderung für dich?"
- Für Entscheidungen: "Was ist hier wirklich wichtig für dich?"
- Für Wünsche: "Was erhoffst du dir wirklich davon?"
- Für Konflikte: "Was brauchst du wirklich in dieser Situation?"
- Für Ängste: "Was beunruhigt dich wirklich daran?"
Ein Beispiel zum Nachvollziehen:
Kind: "Ich will nicht zur Schule gehen!"
Schwache Reaktion: "Du musst aber zur Schule gehen."
Fokus-Frage Stufe 1: "Was stört dich an der Schule?"
Fokus-Frage Stufe 2: "Was ist hier wirklich das Problem für dich?"
Fokus-Frage Stufe 3: "Was macht dir heute wirklich Sorgen bei dem Gedanken an die Schule?"
Je konkreter und tiefer deine Fokus-Frage geht, desto mehr hilft sie, das eigentliche Problem zu entdecken.
Der Fokus-Frage-Baukasten:
Beginn | Verstärker | Kernpunkt | Personalisierung |
---|---|---|---|
Was ist | wirklich | die Herausforderung | für dich? |
Was wäre | eigentlich | wichtig | in dieser Situation? |
Was macht dir | tatsächlich | Sorgen | dabei? |
Was erhoffst du dir | im Grunde | vom Ergebnis | am Ende? |
Kombiniere die Elemente, um die passende Fokus-Frage für deine Situation zu finden. Das Wichtigste dabei: Die Frage sollte offen sein, zum Nachdenken anregen und echtes Interesse signalisieren.
🗝️ So nutzt du die Fokus-Frage
Die Frage "Was ist hier die wirkliche Herausforderung für dich?" ist wie ein Schlüssel, der neue Türen öffnet:
Für Kleine (3-6 Jahre):
Typische Reaktion | Mit Fokus-Frage | Was sich ändert |
---|---|---|
Kind: "Ich will nicht ins Bett!" Eltern: "Es ist Schlafenszeit, keine Diskussion." |
Kind: "Ich will nicht ins Bett!" Eltern: "Was macht dich gerade so traurig/wütend beim Schlafengehen?" |
Das Kind kann ausdrücken, dass es vielleicht Angst im Dunkeln hat oder eine Geschichte vermisst |
Kind: weint beim Abschied im Kindergarten Eltern: "Sei nicht traurig, ich komme doch später wieder." |
Kind: weint beim Abschied Eltern: "Was würde dir helfen, damit du dich hier wohler fühlst?" |
Das Kind kann konkrete Unterstützung benennen (z.B. ein Kuscheltier, ein Ritual) |
Kind: "Anna ist gemein!" Eltern: "Spiel einfach mit jemand anderem." |
Kind: "Anna ist gemein!" Eltern: "Was hättest du gerne anders, wenn ihr zusammen spielt?" |
Kind kann lernen, Wünsche und Grenzen zu artikulieren |
Für Schulkinder (7-10 Jahre):
Typische Reaktion | Mit Fokus-Frage | Was sich ändert |
---|---|---|
Kind: "Mathe ist doof!" Eltern: "Du musst dich trotzdem anstrengen." |
Kind: "Mathe ist doof!" Eltern: "Welche Aufgabe findest du besonders schwierig?" |
Konkrete Probleme werden identifiziert statt pauschaler Ablehnung |
Kind: "Niemand will mit mir spielen." Eltern: "Das stimmt doch gar nicht." |
Kind: "Niemand will mit mir spielen." Eltern: "Was vermisst du bei deinen Freunden, wenn ihr zusammen seid?" |
Tiefer liegende soziale Bedürfnisse werden erkannt |
Kind: "Ich will nicht zum Fußball gehen." Eltern: "Aber du hast dich doch angemeldet." |
Kind: "Ich will nicht zum Fußball gehen." Eltern: "Was gefällt dir am Fußball nicht mehr? Was würde dir mehr Spaß machen?" |
Die Motivation und Interessen werden hinterfragt statt erzwungen |
Für Größere (11+ Jahre):
Typische Reaktion | Mit Fokus-Frage | Was sich ändert |
---|---|---|
Kind: "Die Schule ist total sinnlos!" Eltern: "Ohne Bildung wirst du es später schwer haben." |
Kind: "Die Schule ist total sinnlos!" Eltern: "Was bereitet dir gerade am meisten Stress in der Schule?" |
Der eigentliche Auslöser wird identifiziert (z.B. Überforderung, soziale Probleme) |
Kind: "Du verstehst mich nie!" Eltern: "Das stimmt nicht, ich versuche dich immer zu verstehen." |
Kind: "Du verstehst mich nie!" Eltern: "Was wünschst du dir eigentlich von mir, wenn du über deine Probleme sprichst?" |
Kommunikationsbedürfnisse werden geklärt |
Kind: "Alle haben schon ein eigenes Smartphone." Eltern: "Du bist noch zu jung dafür." |
Kind: "Alle haben schon ein eigenes Smartphone." Eltern: "Was ist dir dabei wichtig, ein eigenes Handy zu haben?" |
Die tatsächlichen Bedürfnisse (Zugehörigkeit, Autonomie) werden erkannt |
Kind: "Ich weiß nicht, was ich später machen soll." Eltern: "Du hast noch Zeit." |
Kind: "Ich weiß nicht, was ich später machen soll." Eltern: "Was ist dir für deine Zukunft besonders wichtig?" |
Werte und Prioritäten werden bewusst gemacht |
Diese altersgerechten Beispiele zeigen, wie die Fokus-Frage in verschiedenen Entwicklungsphasen angepasst werden kann und wie sie hilft, vom oberflächlichen Problem zum eigentlichen Kern vorzudringen. Die Kunst liegt darin, die Frage dem Entwicklungsstand und der Ausdrucksfähigkeit des Kindes anzupassen.
Clayton Christensen
👂 Die Kraft des richtigen Zuhörens
Stell dir vor, du bist wie ein Ermittler eines komplexen Falls. Du sammelst nicht nur oberflächliche Indizien, sondern tauchst in die Tiefe der Geschichte ein. Bei der Fokus-Frage geht es um diese investigative Haltung – statt schneller Lösungen suchst du echtes Verständnis.
Die Kunst der Präsenz im Gespräch:
- Körpersprache einsetzen
- Augenkontakt auf Augenhöhe (hinknien bei kleineren Kindern)
- Ablenkungen ausschalten (Handy weglegen, TV aus)
- Deine Körperhaltung signalisiert: "Ich bin ganz bei dir"
- Die Stille aushalten
- Nach der Fokus-Frage Raum für Nachdenken lassen
- Die Pause ist produktiv – dränge nicht auf sofortige Antworten
- Manchmal brauchen die wichtigsten Gedanken Zeit
- Reaktionen bewusst steuern
- Überraschung und Urteile zurückhalten, selbst wenn die Antwort unerwartet ist
- Bestätigendes Nicken statt vorschneller Lösungsvorschläge
- Empathie zeigen ohne das Problem zu übernehmen
Ein tieferes Beispiel:
- Situation: Dein Kind kommt frustriert von der Schule heim.
- Typische Reaktion: "Wie war dein Tag?" – "Schlecht." – "Morgen wird's besser."
- Fokus-Frage mit aktivem Zuhören:
"Was war heute besonders herausfordernd für dich?"
[Kind erzählt von einem Vorfall auf dem Schulhof]
"Wie hast du dich dabei gefühlt?"
[Kind teilt Gefühle mit]
"Was wäre in dem Moment hilfreich gewesen?"
[Gemeinsames Entdecken von Handlungsoptionen]
Das Geheimnis großer Zuhörer: Sie hören nicht nur mit den Ohren, sondern mit vollständiger Aufmerksamkeit zu. Ein Kind, das sich wirklich gehört fühlt, entwickelt Vertrauen, seine wahren Gedanken und Gefühle zu teilen – nicht nur die oberflächlichen.
💼 Die Fokus-Frage im Alltag - nicht nur für Kinder
Die Fokus-Frage funktioniert überall - nicht nur bei Kindern, sondern in allen Lebensbereichen, wo echtes Verständnis den Unterschied macht:
Bei der Arbeit:
- In Projektkrisen: "Was blockiert uns wirklich am Fortschritt?"
- Bei überlangen Meetings: "Welches Kernziel müssen wir heute wirklich erreichen?"
- Mit schwierigen Kollegen: "Was brauchen Sie konkret, um weiterzukommen?"
In der Partnerschaft:
- Bei wiederkehrenden Diskussionen: "Was liegt tiefer unter diesem Thema?"
- Vor großen Entscheidungen: "Was macht dir dabei am meisten Sorgen?"
- In angespannten Momenten: "Was würde dir jetzt wirklich helfen?"
Mit Freunden:
- Bei Veränderungen: "Was bedeutet diese Situation für dich?"
- In Lebenskrisen: "Womit ringst du am meisten?"
- Bei Unterstützungswünschen: "Wie kann ich konkret helfen, statt nur zuzuhören?"
Im Dialog mit dir selbst:
- Bei Erschöpfung: "Welche Tätigkeiten geben mir Energie zurück?"
- An Wendepunkten: "Was entspricht wirklich meinen Werten?"
- Bei Zukunftsängsten: "Welcher nächste Schritt würde mir Sicherheit geben?"
Der magische Effekt des Wortes "wirklich" in deinen Fragen: Es durchbricht die Oberfläche und dringt zum Kern vor. Es signalisiert: "Ich will nicht die Standard-Antwort hören, sondern verstehen, was tatsächlich wichtig ist."
Experiment: Stelle diese Woche bewusst drei Fokus-Fragen in unterschiedlichen Kontexten. Beobachte, wie sich die Qualität der Gespräche verändert und tiefere Verbindungen entstehen.
🍿 Der Trick mit dem Popcorn
Kennst du das? Ein Maiskorn poppt, dann noch eins, und plötzlich springen alle! Genauso ist es oft mit Problemen. Aber die Fokus-Frage hilft dir, das erste wichtige Korn zu finden - den Kern der Sache.
Denk dran: Die beste Lösung findest du nur, wenn du das richtige Problem kennst. Die Fokus-Frage ist dein Werkzeug dafür!
🎮 So übst du die Fokus-Frage
Mach ein Spiel daraus! Übe die Frage in entspannten Momenten:
- Beim Vorlesen: "Was berührt dich an der Geschichte wirklich?" oder "Was ist für dich der wichtigste Teil?"
- Beim Spielen: "Was macht dir dabei am meisten Freude?" oder "Was findest du besonders herausfordernd?"
- Beim Spaziergang: "Was beschäftigt dich gerade?" oder "Worüber denkst du nach?"
Nutze die Fokus-Frage noch heute: Beim nächsten "Das ist doof!" oder "Ich will nicht!" deines Kindes frag einfach: "Was ist hier die wirkliche Herausforderung für dich?" Du wirst überrascht sein, welche Türen sich öffnen!
Willst du ein besserer Fragesteller werden?

The Coaching Habit
Wie Sie mit Fragen führen und dabei das Potenzial Ihrer Mitarbeiter entfesseln.