Das Fragen - Wie die richtigen Fragen Kinder weiterbringen

• Die richtige Frage ist kraftvoller als jede schnelle Antwort
• Durch Fragen entwickeln Kinder ihre eigenen Lösungen und Wege
• Eine Frage nach der anderen - Zeit zum Nachdenken geben
• Weniger erklären, mehr gemeinsam entdecken und wachsen
"Warum ist der Himmel blau?" - "Wie fliegen Flugzeuge?" - "Wo kommt der Wind her?" Kennst du diese endlosen Fragenketten deiner Kinder? Dein erster Impuls ist wahrscheinlich, schnell eine Antwort zu geben. Doch gerade in diesen Momenten liegt eine groĂźe Chance fĂĽr gemeinsames Entdecken und Lernen.
🔍 Von der Antwortmaschine zum Entdeckungsbegleiter
Kennst du das? Du bist darauf trainiert, schnell Lösungen zu präsentieren. Das kommt aus einem guten Impuls: Du willst helfen, Zeit sparen, Frustration vermeiden. Doch wenn du sofort eine fertige Antwort gibst, nimmst du deinem Kind die Chance, selbst nachzudenken. Oft fühlt es sich sogar überfahren, wo es vielleicht nur eine kleine Hilfestellung brauchte. Die wertvollste Antwort ist manchmal eine Gegenfrage.
Statt direkt zu erklären, warum der Himmel blau ist, frag doch mal zurück: "Was denkst du denn, woran das liegen könnte?" Du wirst überrascht sein, welche Theorien dein Kind entwickelt. Durch gezieltes Nachfragen kannst du es dann auf seinem Weg zur Erkenntnis begleiten.
Du merkst schon: Die Art, wie wir auf Kinderfragen reagieren, verändert etwas. Aber das ist erst der Anfang. Denn die Kraft des Fragens kannst du noch viel gezielter nutzen - nämlich dann, wenn du selbst derjenige bist, der die richtigen Fragen stellt.
💡 Gemeinsam Lösungen finden
Stell dir vor, du bist nicht mehr der Antwortgeber, sondern ein Wegbegleiter deiner Kinder. Ein Coach, der durch geschickte Fragen hilft, neue Perspektiven zu entdecken und eigene Lösungen zu finden. Das klingt kompliziert? Ist es aber nicht!
Als Coach fĂĽr deine Kinder kannst du:
- Sie in ihrer Entwicklung begleiten, statt zu dirigieren
- Ihr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken
- Eine Atmosphäre des gemeinsamen Lernens schaffen
- Ihre natürliche Neugier und Problemlösungskompetenz fördern
đźš« Die drei Fallen der klassischen Erziehung
Vielleicht kennst du das - du willst helfen und tappst dabei in eine dieser Fallen:
- Die Abhängigkeitsfalle: Je mehr du deinen Kindern die Probleme abnimmst, desto weniger trauen sie sich selbst zu.
- Die Überlastungsfalle: Du versuchst, alle Herausforderungen deiner Kinder zu lösen? Das erschöpft nicht nur dich – es hindert auch deine Kinder am Wachsen.
- Die Entwicklungsfalle: Durch zu schnelles Eingreifen verpasst dein Kind wichtige Lernerfahrungen.
🎯 So nutzt du die Kraft der richtigen Frage
Ein Beispiel aus dem Alltag: Dein Kind kommt frustriert mit den Matheaufgaben nach Hause. Dein erster Impuls? Wahrscheinlich die Aufgabe erklären und zeigen, wie's geht. Aber versuch stattdessen mal Fragen wie: "Was hast du schon probiert?" oder "Welcher Teil verwirrt dich am meisten?"
Was bewirkst du damit?
- Du zeigst deinem Kind, dass du seine BemĂĽhungen ernst nimmst
- Es entdeckt eigene Lösungswege
- Das Selbstvertrauen wächst durch selbst erarbeitete Erfolge
- Dein Kind wird unabhängiger
🎖️ Die goldene Regel: Weniger ist mehr
Der wichtigste Tipp fĂĽr den Anfang:
Stelle immer nur eine Frage auf einmal.
Gib deinem Kind Zeit zum Nachdenken und höre aufmerksam zu. Das ist wie ein Ping-Pong-Spiel: Eine Frage, eine Antwort, dann erst die nächste Frage.
đź’« Beispiele fĂĽr jeden Altersabschnitt
Wenn dein Kind Fragen stellt (Neugier-Momente):
4-6 Jahre: "Warum regnet es?" - "Was meinst du, woher die Tropfen kommen?"
7-9 Jahre: "Wie funktioniert ein Computer?" - "Spannende Frage! Was glaubst du, was da drin passiert?"
10-12 Jahre: "Warum gibt es Krieg?" - "Was denkst du, warum Menschen streiten?"
Wenn du dein Kind anleitest (Erziehungs-Momente):
4-6 Jahre:
Statt: "Räum deine Bausteine weg!"
Besser: "Wo könnten deine Bausteine ein schönes Zuhause finden?"
7-9 Jahre:
Statt: "Mach die Hausaufgaben ordentlicher!"
Besser: "Was brauchst du, damit du besser schreiben kannst?"
10-12 Jahre:
Statt: "Lass das Handy weg!"
Besser: "Wann wäre für dich eine gute Zeit fürs Handy, ohne dass die wichtigen Dinge zu kurz kommen?"
Wenn dein Kind UnterstĂĽtzung sucht (Coaching-Momente):
4-6 Jahre: "Ich kann keinen Baum malen!" - "Was gehört denn alles zu einem Baum? Lass uns zusammen sammeln."
7-9 Jahre: "Das Puzzle ist zu schwer!" - "Welches Teil findest du besonders knifflig? Was könnte dir helfen, es leichter zu finden?"
10-12 Jahre: "Ich verstehe die Matheaufgabe nicht!" - "Welchen Teil hast du schon verstanden? Wo genau wird es unklar?"
Bei jedem dieser Begleitungsmomente geht es darum, dein Kind Schritt für Schritt zur eigenen Lösung zu führen. Statt "vorzumachen", hilfst du durch Fragen dabei, das Problem in kleinere, bewältigbare Teile zu zerlegen.
Beim Baum-Beispiel könnte das so aussehen:
- "Was siehst du, wenn du einen Baum anschaust?"
- "Womit könnten wir anfangen?"
- "Was kommt dann?"
- "Und was noch?"
- "Welche Farben brauchen wir?"
So entdeckt dein Kind selbst den Weg zur Lösung.
Das Besondere an diesen Beispielen ist, dass sie jeweils die Entwicklungsstufe des Kindes berücksichtigen und ihm die Chance geben, selbst nachzudenken und Lösungen zu finden. Die Fragen sind dabei immer konkret und handlungsorientiert.
Quelle: Stanier, M. B. (2018). The Coaching Habit: Say Less, Ask More & Change the Way You Lead Forever.
⚖️ Die richtige Balance finden
NatĂĽrlich gibt es Momente, in denen direkte Antworten wichtig sind:
- Bei Sicherheitsfragen ("Ist der Herd heiĂź?")
- In Notsituationen
- Bei reinen Wissensfragen
- Wenn dein Kind ausdrĂĽcklich um eine Antwort bittet
Der SchlĂĽssel liegt in der Balance zwischen Fragen und Antworten
❓ Sieben Fragen, die alles verändern
In den kommenden Wochen werden wir gemeinsam sieben besondere Fragen kennenlernen, die Michael Bungay Stanier in seinem Buch "The Coaching Habit" vorstellt. Diese Fragen sind so kraftvoll und gleichzeitig so einfach, dass sie den Familienalltag grundlegend verbessern können.
Bewusst stellen wir diese Fragen hier noch nicht vor. Denn jede einzelne verdient ihre eigene Betrachtung und sorgfältige Einführung. In den nächsten Artikeln werden wir Frage für Frage erkunden, verstehen und für den Familienalltag nutzbar machen. So können wir uns Zeit nehmen, jede Frage wirklich zu verinnerlichen und ihre Wirkung zu erfahren, bevor wir zur nächsten übergehen.
Freue dich auf eine spannende Reise durch die Kunst des Fragens!
đź§° Dein Start in die Welt des Fragens
Und das Beste: Du kannst direkt damit loslegen! Das nächste Mal, wenn dein Kind wissen will, wie Schmetterlinge fliegen können oder warum Dinosaurier ausgestorben sind – frag zurück, was es selbst darüber denkt. Oder wenn es nicht mit dem Fahrrad fahren will, weil es Angst hat zu fallen – erforsche gemeinsam mit Fragen, was ihm helfen würde, sich sicherer zu fühlen.
Ein kleiner Tipp: Fang mit einer Situation am Tag an. Vielleicht beim gemeinsamen Frühstück ("Was würde dir den Start in den Tag schöner machen?"), beim Vorlesen ("Was glaubst du, wie die Geschichte weitergeht?") oder beim Spielen ("Wie könnten wir das Spiel noch spannender machen?"). Stelle eine Frage statt einer direkten Antwort oder Anweisung und lass dich überraschen. Die wertvollsten Gespräche entstehen oft ganz nebenbei – beim Spaziergang, auf dem Spielplatz oder vor dem Schlafengehen.
Diese Art des Fragens ist übrigens nicht nur im Umgang mit Kindern wertvoll. Du wirst merken, wie sich auch Gespräche mit deinem Partner oder Kollegen verändern, wenn du öfter fragst statt gleich Lösungen zu präsentieren.
Willst du ein besserer Fragesteller werden?

The Coaching Habit
Wie Sie mit Fragen fĂĽhren und dabei das Potenzial Ihrer Mitarbeiter entfesseln.